Bald kam dem Prinzen ein Gedanke: „Vielleicht ist ja mein Drache in ein anderes Königreich geflogen und lebt jetzt dort?" Und so schickte er Kundschafter in alle Himmelsrichtungen aus, die den Drachen schließlich am Fenster des Schlosses des Violetten Königreichs entdeckten und den Prinzen davon unterrichteten.
Nicht nur den Prinzen, denn in kürzester Zeit wussten sämtliche Bewohner aller drei Königreiche Bescheid. „Wie kann das nur sein?", fragten sie erstaunt. „Ist der Drache ins Schloss eingedrungen? Oder hat die Prinzessin dieses riesengroße Reptil entführt? Was für ein Skandal, so etwas gehört sich nicht! Schließlich sind Drachen dazu da, Prinzessinnen zu rauben, und nicht umgekehrt!" Der Prinz und seine Heldentaten gerieten in Vergessenheit, und bald sprachen alle nur noch von der Prinzessin.
Von nun an war das Leben schöner Mädchen viel einfacher, da niemand mehr versuchte, sie zu entführen. Sie erzählten allen ihren Freunden und Freundinnen, dass der Prinz dem Drachen befohlen hatte, Mädchen zu rauben, jetzt aber von ihm nichts mehr zu fürchten sei.
Unterdessen beschloss der Prinz, dessen Ruf endgültig ruiniert war, Sabrinas Königreich den Krieg zu erklären. Doch seine Untertanen verweigerten ihm die Unterstützung, da niemand für einen Hochstapler in den Kampf ziehen wollte. Da ihm nichts anderes übrig blieb, flog der Prinz in seinem Hubschrauber ins Violette Königreich, um seinen Drachen höchstpersönlich abzuholen.
Am dortigen Schloss angekommen, spazierte der Prinz schnurstracks vor das Königspaar und sagte: „Ich bin wegen meines Drachen hier."
„Ihr seid also der Prinz, der vorgetäuscht hat, ein Held zu sein, um der Ehre und des Ruhmes willen?", fragte der König, der natürlich genau über den Prinzen Bescheid wusste.
Die Prinzessin sagte: „Wie kommt ihr darauf, verehrter Prinz, dass dieser Drache Euch gehört? Habt Ihr ihn etwa gefragt? Der Drache gehört niemanden außer sich selbst." Der Prinz, der seinen Ruf unbedingt wiederherstellen wollte, blieb hartnäckig. Letzten Endes wurde der Thronrat einberufen, und es ereignete sich Folgendes:
Alle setzten sich an einen runden Tisch und berieten gemeinsam über das weitere Vorgehen. Auch der Drache wurde herbeigerufen, da alle bereits wussten, dass er sich im Schloss befand (schließlich gab die Prinzessin nicht ohne Grund tagtäglich Anweisung, ihr hundert Kilogramm kalorienreiches Essen zuzubereiten, und versicherte, dass sie zur Zeit ihre Mahlzeiten am liebsten allein zu sich nehme).
„Warum habt Ihr den Drachen entführt?", fragte der Prinz Sabrina.
„Ich hatte es satt, mir dauernd von meinen Freundinnen anhören zu müssen, dass Drachen Mädchen entführen. Daher hab ich kurzerhand beschlossen, meinerseits den Drachen zu entführen. Außerdem war ich es leid, mit diesem Vorhang vor dem Gesicht herumlaufen zu müssen", antwortete die Prinzessin ruhig und zog sich zum allgemeinen Erstaunen den Schleier vom Gesicht. Nun konnte jeder sehen, dass sich unter dem Schleier nur eine ganz gewöhnliche Prinzessin verbarg, und - was am wichtigsten war - dass der Drache keine Anstalten machte, sich auf diese zu stürzen.
Der Prinz, der nichts begriffen hatte, wollte seinen Drachen nachhause mitnehmen. Doch das geflügelte Reptil weigerte sich standhaft zurückzukehren und wieder für Entführungen missbraucht zu werden; obendrein wurde er hier gut und respektvoll behandelt.