Soroka
Bilder – Darja Apachontschitsch

Übersetzung – Ira Teiwes

Mascha fliegt mit dem Flugzeug
Mascha hat zwei Zöpfe, eine Menge Sommersprossen und ein Flugzeug namens Nina.

Früher einmal hatte Mascha ihre heiß geliebte Oma Nina. Diese lud Mascha häufig zu sich ein, und sie unternahmen kleine Spritztouren mit dem Auto. Oma Nina war schelmisch und tollkühn; sie liebte es, mit dem Auto durch die Felder zu flitzen, im Wald ein Zelt aufzuschlagen und in ihrem Garten riesige Malven und Sonnenblumen zu ziehen.

Oft fuhren Mascha und Oma in den Wald, um Schmetterlinge zu beobachten. Maschas Freundinnen gingen mit ihren Omas in den Wald, um Walderdbeeren und Heidelbeeren zu sammeln. Oma Nina dagegen fuhr mit Mascha dorthin, um ihr Schmetterlinge zu zeigen: im Wald gab es sie in Hülle und Fülle, große wie kleine, viel mehr als in der Nähe von Omas Haus.

Häufig nahm Oma Nina Mascha zum Fluss mit und brachte ihr das Schwimmen bei. Dort schwammen sie zum anderen Ufer und sonnten sich. Maschas Oma war anders als andere Großmütter. Die hatten meistens einen dazugehörigen Opa. Oma Nina aber hatte ein eigenes Haus, die Katze Alissa und ihr heiß geliebtes altes Automobil, das sie eigenhändig reparierte. Früher war sie nämlich Ingenieurin gewesen.

Eines Tages saßen Mascha und Oma in einem Feld auf einer Decke und schauten zum Himmel hoch. Da sagte Oma Nina zu Mascha, dass sie in vielen Jahren einmal im Himmel leben würde.

Sie zeigte auf eine Wolke: „Ich werde da oben sitzen und herumhüpfen."


Genauso hatte Mascha es sich vorgestellt: ihre Oma würde auf einer Wolke sitzen und bisweilen auf- und abspringen oder vielleicht auch von Wolke zu Wolke hüpfen.

„Wirst du mich zu dir auf die Wolke einladen?", fragte Mascha Oma Nina.

„Natürlich", antwortete diese. „Du steigst einfach in deinen Flieger und kommst mich besuchen."

Seitdem malte sich Mascha häufig aus, dass sie irgendwann ein eigenes Flugzeug haben würde.

Mascha wurde erwachsen und studierte Geologie. Im Rahmen ihrer Arbeit war sie viel auf Reisen und konnte Oma Nina nicht mehr so oft besuchen.

Eines Tages war ihre Oma nicht mehr da: sie ging in den Wald und kam nicht zurück.

Mascha konnte nicht begreifen, wie ihre Oma auf einmal weg sein konnte. Oma Nina war wie die Ewigkeit. Sie war schon vor Mascha da gewesen; sie hatte einen Garten voller Malven und ihr geliebtes Automobil, sie war immer munter und voller Leben. Es war schlicht unmöglich, dass es sie nicht mehr geben sollte.

Mascha kehrte zu Oma Ninas Haus zurück, hängte ein Schild mit der Aufschrift: „Vorübergehend niemand zuhause" ans Tor und vergewisserte sich, dass mit dem Auto in der Garage alles in Ordnung war.

Sie überlegte, wo Oma Nina sein könnte. Da erinnerte sie sich an die Wolke, auf der Oma Nina herumhüpfen hatte wollen, an den Himmel und an ihren Wunsch, die Oma mit dem Flieger zu besuchen. Dann fiel Mascha ein, dass sie sich ein eigenes Flugzeug hatte zulegen wollen, und beschloss, fliegen zu lernen.

Das nahm eine gewisse Zeit in Anspruch und kostete sie eine Menge Kraft. Immerhin lernte sie nach einer Weile, ein kleines Flugzeug zu steuern, und noch etwas später schaffte sie sich ein eigenes an, das sie „Nina" taufte.

Während ihrer Flugstunden über dem kleinen Flugplatz hatte Mascha Angst abzustürzen. Aber nachdem sie sich an das Fliegen gewöhnt hatte, schaute sie sich nach der Wolke mit Oma Nina um. Schließlich konnte sie doch nicht wissen, auf welcher Wolke sich ihre Oma aufhielt.

Eines Tages sah sie völlig unerwartet Oma Nina neben sich im Flugzeug sitzen.

„Das gibt's doch nicht!", sagte Mascha. „Ich hab die ganze Zeit nach dir gesucht! Warum warst du so lange fort? Wirst du jetzt hier leben, wie du es mir damals erzählt hast?"

Oma schnitt eine Grimasse.

„Was Kinder nicht alles glauben. Ich bin immer bei dir, mein Kind, solange du es willst, und bin die ganze Zeit bei dir gewesen. Menschen, die du in der Kindheit liebst, bleiben dein ganzes Leben lang bei dir. Dafür hättest du kein Flugzeug gebraucht."

„Aber ich fliege so gerne", sagte Mascha.

„Dann fliegen wir zusammen, wenn du Freude daran hast", antwortete Oma Nina.

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